Cyber Kill Chain: Gezielte Angriffe besser und schneller abwehren

30. Juli, 2024

Die Cyber Kill Chain ist ein Modell, das 2011 vom Rüstungsunternehmen Lockheed Martin vorgestellt wurde, um den Ablauf von Cyberangriffen systematisch zu analysieren und entsprechende Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Dabei wurde ein ursprünglich in der Militärstrategie verankertes Konzept in den Bereich der Cybersicherheit übertragen, um gezielte Angriffe (Advanced Persistent Threats, APTs) zu adressieren.

Fokus und Anwendung der Cyber Kill Chain

In sieben Phasen beschreibt die Cyber Kill Chain den typischen Ablauf eines Cyberangriffs. Sie fördert damit ein proaktives Sicherheitsmanagement. Jede der sieben Phasen bietet Sicherheitsteams die Möglichkeit, den Angriff zu erkennen und zu stoppen. Diese Phasen sind relativ unabhängig von spezifischen Technologien oder Angriffstechniken, da das Modell auf das übergeordnete Vorgehen der Angreifenden fokussiert anstatt auf Details.

Die Cyber Kill Chain eignet sich besonders, um den allgemeinen Ablauf eines Angriffs zu verstehen und strategische Abwehrmaßnahmen zu planen, indem eine oder mehrere der sieben Phasen unterbrochen werden. Das MITRE ATT&CK Framework kann ergänzend verwendet werden, um diese Strategien mit spezifischen, detaillierten Informationen zu Angriffstechniken und -taktiken zu untermauern. Es wird häufig in der Bedrohungsmodellierung und roten/blauen Team-Übungen eingesetzt.

Die sieben Phasen der Cyber Kill Chain

1. Aufklärung (Reconnaissance)

In dieser Phase sammeln die Angreifenden Informationen über ihr Ziel. Dies kann durch öffentliche Quellen, Social Engineering oder spezifische Scans von Netzwerken und Systemen geschehen. Ziel ist es, Schwachstellen und potenzielle Eintrittspunkte zu identifizieren.

Gegenmaßnahmen: Unternehmen sollten ihre digitalen Fußabdrücke minimieren, indem sie sensible Informationen schützen und Netzwerkscans überwachen.

2. Bewaffnung (Weaponization)

Hier erstellen die Angreifenden ihre Schadsoftware basierend auf den in der Aufklärungsphase gesammelten Informationen. Dies kann das Entwickeln von Exploits oder das Präparieren von Phishing-E-Mails mit bösartigen Anhängen umfassen.

Gegenmaßnahmen: Sicherheitssoftware, sichere Entwicklungspraktiken, Sensibilisierungsmaßnahmen sowie regelmäßige Updates können das Risiko verringern.

3. Übertragung (Delivery)

Die Schadsoftware wird an das Ziel übermittelt. Häufige Methoden sind E-Mail-Anhänge, infizierte Websites oder direkte Netzwerkanfragen.

Gegenmaßnahmen: E-Mail-Filter, sichere Web-Gateways und Netzwerküberwachung können helfen, bösartige Zustellungen zu erkennen und zu blockieren.

4. Ausführung (Exploitation)

In dieser Phase nutzen die Angreifenden Schwachstellen im Zielsystem aus, um die Schadsoftware auszuführen. Dies kann durch ungepatchte Software, schwache Passwörter oder andere Sicherheitslücken geschehen.

Gegenmaßnahmen: Regelmäßige Schwachstellenanalysen und Patches sowie strenge Authentifizierungsrichtlinien können diese Risiken mindern.

5. Installation (Installation)

Die Schadsoftware wird auf dem Zielsystem installiert und ermöglicht den Angreifenden eine dauerhafte Präsenz. Oftmals werden auch Backdoors eingerichtet, um späteren Zugang zu gewährleisten.

Gegenmaßnahmen: Endpoint-Detection-and-Response (EDR)-Lösungen und strenge Überwachung von Systemänderungen sind hier entscheidend.

6. Kommando und Kontrolle (Command & Control, C2)

Die Angreifenden etablieren einen Kommunikationskanal mit der Schadsoftware, um Befehle zu senden und Daten abzurufen. Dies geschieht häufig über verschlüsselte Verbindungen oder versteckte Protokolle.

Gegenmaßnahmen: Anomalie-Erkennung und die Überwachung der Netzwerkaktivität können helfen, verdächtige Kommunikation zu identifizieren und zu unterbinden.

7. Aktionen (Actions on Objectives)

In der letzten Phase führen die Angreifenden ihre eigentlichen Ziele aus, wie Datenexfiltration, Sabotage oder Erpressung.

Gegenmaßnahmen: Datensicherung, Verschlüsselung und Zugriffsmanagement sind wesentliche Maßnahmen, um die Auswirkungen eines erfolgreichen Angriffs zu minimieren.

Die Cyber Kill Chain in Theorie und Praxis

Für jeden der sieben Schritte sind systemunabhängige Methoden und Vorgehen hinterlegt. Neue Aktionen der Angreifenden können unabhängig aktualisiert und hinzugefügt werden, ohne das übergeordnete Angriffsmuster zu verändern. Durch das Zusammenführen einzelner Indikatoren können schnellere und bessere Warnungen bzw. Hinweise zu möglichen Cyberangriffen erzeugt werden. Anstatt nur auf Angriffe zu reagieren, ermöglicht das Modell so eine frühzeitige Erkennung und Unterbrechung von Angriffen bereits in den ersten Phasen.

Auch als theoretisches Konstrukt kann die Cyber Kill Chain sofort zur Verbesserung des Sicherheitsniveaus beitragen. Als Referenz, zur Vorsorge und als Management-Tool ermöglicht sie, die einzelnen Teilschritte den vorhandenen Systemen und Prozessen gegenüberzustellen, um den aktuellen Status und Verbesserungspotentiale der eigenen Sicherheitslage zu identifizieren. Ebenso kann sie als Instrument für Schulungen und zur Bewusstseinsbildung für die Phasen und Methoden von Cyberangriffen herangezogen werden.

Vorteile durch die Anwendung der Cyber Kill Chain

Durch die Implementierung dieses Modells können Unternehmen ihre Sicherheitsstrategie optimieren und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Cyberangriffen erheblich erhöhen. Hier sind einige der wichtigsten Vorteile, die durch die Anwendung der Cyber Kill Chain erreicht werden können:

Systematische Identifikation und Analyse von Bedrohungen: Besseres Verständnis der Angriffsmechanismen und frühzeitige gezielte Maßnahmen zur Unterbrechung des Angriffs.

Verbesserung der Sicherheitsarchitektur: Erhöhte Widerstandsfähigkeit gegen eine breite Palette von Angriffstechniken durch die Erkennung von Schwachstellen und Entwicklung einer umfassenderen und robusteren Verteidigungsstrategie.

Effiziente Ressourcennutzung: Optimale Nutzung der verfügbaren Ressourcen und erhöhte Effektivität der Sicherheitsmaßnahmen, indem Sicherheitsmaßnahmen gezielt dort implementiert werden, wo sie den größten Nutzen bieten.

Verbesserte Incident Response: Schnellere und effektivere Reaktionszeiten bei Sicherheitsvorfällen durch die Entwicklung gezielter Incident-Response-Strategien.

Einheitliche Kommunikation: Effektivere Kommunikation und Zusammenarbeit durch ein gemeinsames Verständnis und eine einheitliche Sprache für Sicherheitsteams, Management und externe Partner.

Empfehlungen für die Anwendung der Cyber Kill Chain

Um die Vorteile der Cyber Kill Chain optimal zu nutzen und mögliche Nachteile zu minimieren, sollten Unternehmen einige Empfehlungen beachten. Entscheidend ist dabei das Bewusstsein, dass auch bewährte Konzepte keine absolute Sicherheit bieten können.

Während sich die Cyber Kill Chain auf gezielte Angriffe konzentriert, sollten Unternehmen andere Risiken wie Insider-Bedrohungen oder nicht zielgerichtete Angriffe nicht vernachlässigen. Zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen und die kontinuierliche Verbesserung der Abwehrstrategie sind notwendig, um auch neuartigen Angriffsmethoden begegnen zu können. Ergänzend zu der eher abstrakten Sicht der Cyber Kill Chain auf Cyberangriffe empfiehlt sich die Integration mit anderen Frameworks wie dem MITRE ATT&CK Framework, das detaillierte Informationen zu spezifischen Angriffstechniken und -taktiken liefert.

Um das Potenzial des Modells optimal zu nutzen, empfehlen wir, keine der sieben Phasen der Cyber Kill Chain zu vernachlässigen, da jede Phase eine potenzielle Angriffsfläche bietet. Implementieren Sie proaktive Sicherheitsmaßnahmen, um Angriffe frühzeitig zu erkennen und zu stoppen, z.B. durch Threat Intelligence und Anomalie-Erkennung.

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Quellen:

https://www.lockheedmartin.com/en-us/capabilities/cyber/cyber-kill-chain.html

https://attack.mitre.org/

Nozomi Guardian Air
HarfangLab Guard
MITRE ATT&CK Framework
v.l.n.r.: Joe Pichlmayr (CEO IKARUS) – Anouck Teiller (CSO HarfangLab) –Alexander van der Bellen (Bundespräsident Österreich) - Frédéric Joureau (Erster Botschaftsrat der französischen Botschaft in Wien) – Christian Fritz (COO IKARUS)
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